Ein Nazi-Vergleich schlägt Wellen: Das TV-Magazin Monitor hat auf Facebook ein Video gepostet, das Joseph Goebbels‘ Rhetorik der von Björn Höcke (AfD) gegenüberstellt. Ist da was dran?
1. Rhetorik für 10-Jährige
Goebbels war nach damaligen Maßstäben unzweifelhaft ein begnadeter Redner; der ‚Erfolg‘ gab ihm recht. Im Gegensatz zu seinem prolligen Chef und dessen Brüllorgien wirkte er vordergründig kultiviert. Vor allem aber beherrschte er das kleine Einmaleins von Politikern, Nazis und somit erst recht Nazi-Politikern:
Er konnte lügen, ohne rot zu werden.
Ich bin der festen Überzeugung: Der Frieden in Europa muss erhalten bleiben. Ich bin weiterhin der festen Überzeugung: Käme ein Krieg – er wäre das größte Unglück für die Welt. (J. Goebbels, YouTube)
Mit dem letzten Halbsatz hatte er sogar recht. Seine „feste Überzeugung“ vom Frieden in Europa hingegen war keinen Pfifferling wert; trotzdem wirkt sie noch heute gespenstisch glaubhaft – schon weil man zu allen Zeiten gern an Friedensbereitschaft glauben wollte.
Auch Höcke wirkt im Ggs. zum kleinkriminellen Pegida-Bachmann oder zum Amok-Rhetoriker Pirinçci kultiviert und seriös. Gerade das macht ihn gefährlich. Denn auch er gibt sich der Lieblingsbeschäftigung aller Nazis hin: Lügen.
(unverständlich) … der Syrer, der zu uns kommt, der hat noch sein Syrien.
(B. Höcke, Monitor-Video, 0:42)
Nein, hat er nicht. Sonst wäre er nicht hier. Syrien als Staat existiert faktisch nicht mehr; der Flüchtling hat sein Haus, seine Arbeitsstelle, sein soziales und kulturelles Umfeld, oft auch einen Teil seiner Familie, kurzum „sein Syrien“ verloren!
Wenn wir unser Deutschland verloren haben, dann haben wir keine Heimat mehr.
(B. Höcke, Monitor-Video, 1:00)
Spontane Reaktion: Was für ein Schwachsinn! Genauer hingedacht:
Höcke macht sich eine Schwäche der dt. Sprache zunutze, die mangelnde Differenzierung zwischen temporalem und konditionalem Wenn (vgl. Engl. when vs. if). Offensichtlich steht der ‚Verlust‘ Deutschlands jedoch für ihn bereits fest; sonst hätte er z.B. sagen können: „Falls wir unser Deutschland verlieren sollten …“ (gibt es wohl genug Länder auf dieser Welt, die uns aufnehmen würden).
Gemeinsamkeit mit Goebbels und der gesamten NS-Propaganda:
Es werden fiktive Bedrohungen konstruiert, aus denen man ein ‚Notwehr‘-Recht ableitet, seinerseits andere zu bedrohen. Damals waren es das „internationale Finanzjudentum“ und „rassisch Unreine“, heute sind es Muslime und „Asylanten“. Die Original-Nazis beließen es nicht bei Drohungen; Höcke hingegen bedroht in dieser Rede niemanden (wie nobel!) – denn dazu hat er sein Fußvolk. Die Medien, insbesondere Facebook, quellen über vor Galgen, KZs, Gaskammern, Erschießungen und ähnlichen Symbolen entmenschten Besorgtbürgertums.
Sowohl Goebbels als auch Höcke bemühen reihenweise hohle, pathetische Phrasen, die einen dennoch beeindrucken – wenn man ca. 10 Jahre alt ist. Auszüge aus diesem infantilen Gesülze:
Ich sehe ein Volk, das eine Zukunft haben will. (Höcke)
Hausaufgaben: Definiere ‚Volk‘. Definiere ‚Zukunft‘. Erkläre, warum ersteres letzteres nicht haben sollen können würde – schon heute befinden wir uns in der Zukunft nach der Höcke-Rede.
Wir – sind – das – Volk! (Höcke)
Zum Glück ist das ebenfalls gelogen. Ihr seid eine krakeelende Minderheit von Versagern, die allein nichts gebacken kriegen und sich nur in der Horde Gleichgesinnter stark fühlen. Warum eigentlich muss ich bei dieser Stakkato-Rhetorik an die kindgerechte „MA-O-AM! MA-O-AM!“-Werbung denken?
Wie auch immer: Beide Demagogen bemühen sich nach Kräften, ihren Zuhörern Angst einzujagen. Denn nur der ängstliche Mensch ist ein folgsamer Mensch.
Mehr dazu in =>Teil 2 …
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Nachtrag:
Höcke eifert Goebbels eben nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich nach:
Führt Höcke die AfD ins rechtsextreme Spektrum?
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