Man nennt sie zuweilen ‚Halbgötter in Weiß‘. Ich tendiere eher zu ‚Kleinganoven in Weiß‘. Denn halb-göttliche Heilkunst wird in dieser Zunft zwar billigend in Kauf genommen; primärer Sinn und Zweck einer Arztpraxis ist jedoch Umsatz- und damit Gewinnmaximierung. Grundsätzlich nichts dagegen; Antikapitalismus ist keine Krankheit, von der ich je befallen war.
Aber die Dummdreistigkeit, mit der eigentlich notwendige Leistungen und Rechnungen locker mal auf das Zehnfache aufgebläht werden, hat schon was – und zwar die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zur Folge. Warum tut eigentlich niemand was dagegen???
Übrigens: Meinen Zahnarzt nehme ich ausdrücklich von dieser Kritik aus; der ist superprima und macht nichts Überflüssiges.
Und nun ein paar Kapitel ‚Arztroman der anderen Art‘:
Nachuntersuchung
Wenn beim Auto eine Fahrlichtglühbirne (oder wie immer man das heute nennt) kaputt ist, wird in der Werkstatt für horrendes Geld der ganze Scheinwerfer ausgetauscht. Man ist beglückt, dass man nicht gleich ein neues Auto kaufen musste und fährt von dannen. Das war’s. Man fährt nicht nach einer Woche nochmal hin und lässt nachschauen, ob die Lampe auch leuchtet.
Anders in der Humanwerkstatt aka Arztpraxis.
Dann machen Sie bitte noch einen Termin zur Nachuntersuchung!
Warum um alles in der Welt sollte man derart Zeit und Geld verschwenden? Ob meine Beschwerden behoben sind, merke ich doch wohl selbst am besten, oder? Jedenfalls latsche ich seit Jahrzehnten ohne schädliche Folgen gänzlich un-nachuntersucht durchs Leben.
Kollegenmitversorgung
Ärzte sind überaus empathische und vernetzte Menschen. Deshalb ertragen sie es nicht, wenn ausschließlich sie selbst den Reibach machen. Nein, die Kollegen sollen schließlich mitverdienen!
Fall: Ich entdecke Xanthelasmen über den Augen, d.h. habe evtl. ein Problem mit zuviel Cholesterin und konsultiere eine lokale Dorfärztin. Die macht außer Blutdruck- und Pulsmessung – eigentlich nichts. Also nichts außer mich ebenso resolut wie birnig –
Wer A sagt, muss auch B sagen!
– an einen Kardiologen und an eine MRT-Praxis überweisen zu wollen. Ja, sicher doch!
Warum ich nicht gleich meinen ‚Hausarzt‘ konsultiert habe? Weil der ca. 20 km entfernt residiert und ‚Hausärzte‘ im Ggs. zur guten alten Zeit eben nicht mehr ins Haus kommen. Anyway: Der ließ erstmal mein Blut untersuchen. Und siehe da: Cholesterin noch im grünen Bereich. Nur frage ich mich heute noch, was die o.a. Spezialisten mit mir angestellt hätten – vermutlich je einen …
Hör- und Prick-Test
Der Kürze und Fairness halber: Hier werfe ich zwei Docs in einen Topf. Der unerhört unsinnige Hörtest wurde von beiden durchgeführt.
Kaum schießt einem das Akronym HNO auch nur durchs Hirn, sitzt man bereits in einer Kabine mit Kopfhörern und wird gehörig hörgetestet. Das macht besonders viel Sinn, wenn man an einer ordinären Mittelohrentzündung oder -verstopfung leidet, d.h. ein Lauschorgan definitiv out of order ist. Getestet wird es trotzdem, um dann – Überraschung! – zu diagnostizieren, dass es zurzeit für Schallereignisse nicht besonders empfänglich ist. ACH!
Weiteres Testergebnis: Auf dem gesunden Ohr habe ich eine Hör-Delle bei 4000 Hertz. Ähä … warum regle ich dann mit dem Equalizer immer genau diese Frequenz runter – wenn ich sie doch so schlecht höre???
Auch geht man eigentlich nicht zum HNO-Doc, um sich endlose unerbetene Vorträge übers Rauchen anzuhören. Ich glaube weiter fest daran, dass Rauchen ganz doll gesund ist. Andernfalls hätte ich ja permanent Ärger mit den Ohren!
Niiiemals begehe man übrigens den Fehler, eine Modekrankheit wie ‚Allergie‘ zu erwähnen. Und schwupps, ein Bluttest auf Allergene! Okayyy … aber statt das Ergebnis abzuwarten, gleichzeitig zwei Prick-Tests für etliche Hundert Euro!
Ja nee, ne?!? Zeit, diese Praxis auf Nimmerwiedersehen zu verlassen. Zwar bin ich tatsächlich allergisch, z.B. gegen Arbeit und Dummheit. Aber Laktose-Nüsse, Milben-Pollen, Glutenkatzen-Haare usw. etc. pp. sind alles meine Freunde … 🙂
… was übrigens den Kleinganoven in Weiß nicht daran hinderte, mir die nicht erfolgten Prick-Tests unter für Laien unverständlichen Namen in Rechnung zu stellen. § 263 StGB, Abs. 1 und 2., meint der Jurist in mir.
Wie auch immer, quasi als Kollateralnutzen haben beide Docs das jeweilige Ohr tatsächlich repariert. Und dann eröffnet mir einer dieser Komiker (echt jetzt!):
So, jetzt müssen wir aber noch einen Hörtest machen. Der von neulich hat ja nichts gebracht; da war ja das eine Ohr krank.
Ja, du mich auch … und nein, keine Nachuntersuchung … njet, auch nicht bei zwei deiner Kollegen!