25.03.2015: Die ersten vier Seiten meines e-Papers sind komplett mit neun Berichten und Kommentaren (mit Bezug) zum schrecklichen Ende des Germanwings-Fluges 4U 9525 in Frankreich gefüllt. Ja, solch ein Ereignis ist grausam. Besonders leid tut es einem um Menschen, die noch fast ihr ganzes Leben vor sich hatten wie die Schüler aus Haltern. Die Angehörigen der Opfer verdienen alles Mitgefühl der Welt. Auch den Germanwings-Angestellten, die sich nicht in der Lage fühlen, ihren Dienst auszuüben, ist (im Ggs. zu streikenden LH-Piloten) Respekt zu zollen.
Trotzdem ist und bleibt Fliegen mit Abstand die sicherste Art des Reisens. Statistisch kann ein Mensch 14.000 Jahre unfallfrei fliegen (Handelsblatt.com). Bei weitem am mörderischsten ist das Autofahren. Selbst innerhalb der Fliegerei gibt es gravierende Unterschiede; Faustregel: Je größer das Flugzeug, desto geringer die Unfallgefahr. Linienflugzeuge werden besser gewartet und von besser ausgebildeten Piloten geflogen als Privatmaschinen – so die bisher gängige Meinung. Diese mag ins Wanken geraten angesichts ruinöser Preiskämpfe zu Lasten von Wartung und Pilotenausbildung. Dennoch sind bei europäischen und US-Airlines gravierende Einschnitte bei der Wartung aufgrund rigider Vorschriften kaum möglich – wohl aber menschliches Versagen, ebenso wie beim fliegenden Personal: Der Absturz von Air France AF447 (228 Tote) beruhte letztlich auf haarsträubenden Pilotenfehlern – und die wiederum auf möglicherweise mangelhafter Ausbildung.
Wie auch immer: Solange kein amtlicher Abschlussbericht zu 4U 9525 vorliegt, verbieten sich eigentlich sämtliche Spekulationen, mit denen man in diesen Tagen überflutet wird. Vor allem aber wirkt es immer wieder befremdlich abstoßend, welchen Schwerpunkt auch vermeintlich seriöse Medien in den Schlagzeilen oder spätestens im ersten Absatz einer Meldung über solche Katastrophen setzen:
Vermutlich 72 Deutsche unter den Opfern … (faz.net)
Nicht 67, sondern 72 Deutsche waren laut Germanwings in dem Unglücks-Airbus. (zeit.de)
An Bord von Flug 4U9525 starben 150 Menschen, darunter 72 Deutsche. (tagesspiegel.de)
Hallo? Wäre es weniger schlimm, wenn statt dieser 72 Deutschen z.B. 72 (weniger ‚wertvolle‘?) Angolaner aus dem Leben gerissen worden wären? Würden dann weniger Hinterbliebene um ihre Liebsten weinen? Wozu diese Fokussierung auf Deutsche? Beim Absturz von MH370 kamen 239 Menschen um; auch diese hinterließen trauernde – aber allenfalls am Rande erwähnte – Angehörige. Spekulationen um das mysteriöse Verschwinden des Flugzeuges beherrschten die Schlagzeilen; schließlich war ja kein Deutscher unter den Opfern.
Solcherlei Mediennationalismus beschränkt sich keineswegs auf Flugunfälle; noch krasser:
Der Tsunami an Weihnachten 2004 kostete mehr als 200.000 Menschen das Leben, darunter 534 Deutschen. (spiegel.de)
Also waren ca. 0,26% der Opfer Deutsche. Wem nützt diese Information?
In Syrien und dem Irak sterben höchstwahrscheinlich täglich mehr als 150 Menschen durch willkürliche Gewalt, nicht durch Unfälle; auch diese Menschen hinterlassen verzweifelte Angehörige. Steht das inkl. Aufschlüsselung nach Nationalitäten in irgendeiner Zeitung? Wieviele ’namenlose‘, unerwähnte Hungertote gibt es täglich in der Welt?
Ein jeder muss selbst wissen, wie er mit solchen Ereignissen und deren medialer Aufbereitung umgeht; ich für meinen Teil werde bis zur Veröffentlichung der offiziellen Absturzursache alle Meldungen zu diesem Thema ignorieren und weiterhin keinen Unterschied zwischen deutschen und ’sonstigen‘ Menschen machen. Den Angehörigen aller Opfer wünsche ich viel Kraft.
Stimme 100% zu!
Spekulationen aller Art (insbesondere aus Absurdistan) gehören verboten, da sie sowohl den Opfern als auch anderen Betroffenen/Beteiligten gegenüber teils zu Unrecht verurteilend oder gar respektlos sein können. Was manches im Netz herumgereist ist unfassbar …
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