Goebbels, Höcke, Angst und Angst vor Höcke (3)

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Ach, da war ja noch was …

Nun habe ich mehrere Wochen lang gegrübelt, wovor ich als an-s-tändiger Deutscher (RIP, Smoki) mal so richtig doll Angst haben könnte. Mir fällt partout nichts ein.

3. Angst vor Höcke?

Im Leben nicht! Dieser Möchtegern-Goebbels wird sich persönlich natürlich nie die Hände schmutzig machen. Er hört sich halt gern reden; dass er als Geschichtslehrer tatsächlich an seinen melodramatisch vorgetragenen Schmus glaubt, ist m.E. abwegig.

Angst vor Höckes Anhängern – und vor Bürgerkrieg?

Wer sein Menschenbild hauptsächlich aus Facebook bezieht, dem gruselt sicher zurecht. Der offensichtliche Verlust einer alten Kulturtechnik namens ‚Schreiben‘ ist dabei noch am wenigsten alarmierend. Was sich da – nach Übersetzung ins Deutsche – inhaltlich offenbart, verleitet allerdings zu der Annahme: Man ist in D’land mittlerweile von Geisteskranken umzingelt!
Aber gemach – diese Bekloppten, die z.B. Migranten für getarnte Reptiloide im Auftrag außerirdischer Mächte halten, gab es doch schon immer. Sie sind eben nur durch die ’sozialen‘ Medien aus der geistigen Kanalisation ans Tageslicht gespült worden.

Die verbalradikalen Sympathisanten von Höcke & Co. sind trotz aller primitivstmöglichen, asozialen Hetze eine erbärmliche Minderheit und nicht wirklich „das Volk“. Und sie sind feige! Gewaltbereit – i.d.R. nur im Rudel – ist wiederum nur ein kleiner Prozentsatz dieser Maulhelden. Trotzdem ist natürlich jeder Gewaltakt einer zuviel!

Das gilt genauso für die Gegenseite, die gern unter Antifa firmiert. Die Antifa gibt es jedoch nicht; das ist ein äußerst heterogener Haufen von gebildeten Humanisten bis hin zu Randaletouristen wie dem Schwarzen Block. Bezüglich letzterer gilt: Der Feind meines Feindes ist noch lange nicht mein Freund! Morddrohungen gegen AfD-Politiker und das Abfackeln ihrer Autos sind genausowenig akzeptabel wie Drohungen und Brandanschläge rechter Krimineller.

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Drohen uns nun Zustände wie in der Endphase der Weimarer Republik, d.h. Straßenschlachten, die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie oder gar ein Bürgerkrieg – natürlich alles aus ‚Liebe zu Deutschland‘ (ha ha)?

Nein. Man muss aus der Geschichte lernen, aber Geschichte wiederholt sich nicht. Sowohl die SA als auch der stalinistische Rote Frontkämpferbund hatten eine sechsstellige Anzahl von gewaltbereiten, paramilitärisch straff organisierten Mitgliedern. Angesichts von ein paar Hundert *idioten, von denen noch nicht mal fünf die Nationalhymne im selben Rhythmus und derselben Tonart grölen können, bin ich da seeehr optimistisch.

Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Bürger der Weimarer Republik – Kaisertreue, Nazis, Deutschnationale, Kommunisten – diese ablehnten. Auch wenn in der Jetztzeit Politikverdrossenheit und  die Anzahl von Rechtssympathisanten ebenfalls zunehmen – eine 70-jährige demokratische Tradition (im Westen) lässt sich nicht so einfach aushebeln wie der angeblich auf einem Dolchstoß beruhende, 14-jährige, unter ‚Versailles‘ leidende Weimarer Staat.

Apropos „im Westen“: Es ist wohl kein Zufall, dass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nationalistisches / rassistisches Gedankengut zwar nicht ausschließlich, aber erfolgreicher gedeiht. Pegida ist nun mal dort entstanden; auch Herr Höcke sucht die Claqueure  für seiner verquasten Phrasen hauptsächlich im Osten. Wenn die sächsische Polizei wiederholt Willkommensfeste für Flüchtlinge wegen der Gefahr rechter Ausschreitungen verbieten möchte, aber zunehmend gewalttätige Pegidioten jeden Montag in ‚Dresdens guter Stube spazierengehen‘ dürfen, ist das zwar zum Kotzen – aber eben nicht angsteinflößend. Denn die Gerichte haben anders entschieden, d.h. der Rechtsstaat (welch unglückliches Wort) funktioniert!

Erinnern wir uns auch hieran: Pegida & Co. waren in der ersten Jahreshälfte 2015 schon so gut wie tot – bis sie die fiktive „Islamisierung des Abendlandes“ durch die ebenso fiktive „Invasion der Flüchtlinge“ ersetzen konnten. Purer Zufall! Irgendwann wird sich auch das abgenutzt haben. Und die ‚Pegida-Partei‘ AfD ist hoffentlich bald pleite. Falls nicht – auch die NPD haben wir ca. ein halbes Jahrhundert lang überlebt. Von sehr schnell implodierenden Republikanern und ähnlichen Sektierern ganz zu schweigen.

Angst vor Flüchtlingen?

Am aller-, allerwenigsten! Diejenigen, die ich persönlich kennengelernt habe, waren allesamt sehr liebe, höfliche, dankbare und – trotz aller widrigen Umstände – auch oft fröhliche Menschen.

Die Kriminalitätsrate ist trotz aller Nazipropaganda von leergeklauten Supermärkten und vergewaltigten blonden deutschen Putzfrauen i.d.R. kein bisschen gestiegen. Wenn jemand allerdings Straftaten, die nur Ausländer überhaupt begehen können (illegale Einreise / Aufenthalt) oder Schlägereien in grotesk überfüllten Sammelunterkünften zur billigen Hetze verwendet, spricht das eher gegen den Verwender als gegen die Flüchtlinge.

Natürlich lässt es sich nicht ausschließen, dass vereinzelt IS-Terroristen oder Assad-Folterknechte mit einsickern. Aber das kann man doch den 99,9% friedlicher, schutzsuchender Menschen nicht anlasten, die genau vor diesen Dreckskerlen geflohen sind!

Ehrlich gesagt ist es mir ergebnisorientiertem Menschen auch scheißegal, ob ich eventuell von einem Dschihadisten wegen religiöser Unbotmäßigkeit oder von einem besoffenen ‚Bio-Deutschen‘ wegen einem Euro fuffzich erschlagen werde.

Fazit:

Ungute Gefühle? Ja. Ekel? Ja. Zorn? Ja.
Aber Angst? Nein! Ja aber … ist dies nicht nur das Pfeifen im Walde? Nein!

Ein fähigerer Blogger-Kollege hat es so formuliert:

Angst ist eine evolutionär uralte und starke Emotion. Wer sich langweilt, vor verschiedenen Dingen (z.B. dem sozialen Abstieg oder der Einsamkeit) fürchtet oder auch einfach keinen Sinn mehr im eigenen Leben findet – fühlt sich durch klare Feindbilder beflügelt!
Diese regen auf, „bereichern“ den tristen Alltag und verschaffen das erhebende Gefühl, sich mit anderen „Aufrechten“ gemeinsam „gegen die Feinde im Inneren und Äußeren“ zu stellen!

(Michael Blume in ‚Droht eine Islamisierung des Abendlandes? Mit welchen Tricks gezielt Ängste geschürt werden‘. Insgesamt sehr lesenswert!)

Ich langweile mich kein bisschen, fürchte mich nicht und kenne den Sinn des Lebens (42). OK, ein klares Feindbild habe ich. Aber es entreichert mein Leben eher. Wohl deshalb habe ich keine Angst. Wohl deshalb bin ich ein einfach kein guter Deutscher …

Über Querdenkmaler

Berufe: Jurist, Musiker, IT-Berater. Hobbies: Web-Aktionismus (seit 1999), Musik, Geschichte, Linguistik, Strategiespiele.
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9 Antworten zu Goebbels, Höcke, Angst und Angst vor Höcke (3)

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  2. AnnJ schreibt:

    Danke für die Fortsetzung und den Link! Wird es denn auch noch weitere Fortsetzungen geben, ja, ja??

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    • Querdenkmaler schreibt:

      Danke für den textuellen Like (es gibt aber auch einen Like-Button 😉 ).
      Ich selbst like das Thema eher weniger; es war mehr eine Pflichtübung als Folge von Teil 1.
      M.a.W.: Dieses um Verständnis u.a. für Rassisten heischende Angstgedöns und dessen Diskussion nervt! Heute steht in der Zeitung, deutsche Sportler haben ANGST, weil HH sich nicht um die Olympics bewirbt. HALLO?!?
      M.a.W.: Speziell hierzu also keine Fortsetzung – Rechtsextremismus, Flüchtlinge und verwandte Themen werden natürlich weiterhin beblogt. 🙂

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  3. rainerpeffm rcpffm schreibt:

    das mit dem „Angst“-Zitat trifft.
    …verschaffen das erhebende Gefühl, sich mit anderen “Aufrechten” gemeinsam “gegen die Feinde im Inneren und Äußeren” zu stellen!

    und eine gemeinsame „Aufgabe“ und ein leicht zu definierender Gegner heben das Selbstwertgefühl und helfen, die Angst vor Abstieg und Veränderungen zu verdrängen.

    Ich sehe hier auch die wichtigste Triebkraft für Faschismus.

    Somit ist der immer und überall möglich, unabhängig von der Demokratieerfahrung.

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    • Querdenkmaler schreibt:

      Bezgl. „wichtigste Triebkraft für Faschismus“ stimme ich dir zu – wobei auch Größenwahn, Empathielosigkeit und deren ‚Schwester‘ Selbstmitleid eine große Rolle spielen, und zwar nicht nur bei den Mitläufern, sondern erst recht bei den Anführern:
      Größenwahn und Selbstmitleid.

      Bzgl. Demokratieerfahrung möchte ich widersprechen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Ostdeutschen mit ’nur‘ 25-jähriger Demokratieerfahrung anfälliger für Parolen „aufrechter Vaterlandsverteidiger“ sind als die Wessis mit ihren fast 70 Jahren. Eine Diktatur kann sich – bei aller Politik- oder besser Parteienverdrossenheit – im Westen niemand mehr vorstellen, während im Osten die Älteren noch Diktaturerfahrung haben und manche diese im Nachhinein als ‚Sicherheit und Ordnung‘ verklären.

      Disclaimer: Nein, ich werfe nicht alle Ostdeutschen in einen Topf! Auch z.B. in Sachsen besteht die große Mehrheit der Bevölkerung aus anständigen und sympathischen Menschen. Man kann sich allerdings fragen, ob diese genug gegen die rechte Minderheit tun.

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